Quo vadis Deutsche Rentenversicherung?

Die Alterung der Gesellschaft wird zum Problem. Aus dem aktuellen Sozialbericht der Bundesregierung geht hervor, dass die sogenannte Sozialleistungsquote, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), erneut gestiegen ist, nunmehr auf 33,6%. Wir geben also mehr als ein Drittel der gesamten deutschen Wirtschaftsleitung für das soziale Netz aus.

Lebensstandard sichern aber wie?

Kritiker*innen der Statistik argumentieren, dass jede*r Rentner*in mit einer Anwartschaft aus der Deutschen Rentenversicherung (DRV Bund) seine*ihre Ansprüche zum größten Teil aus Beitragsleistungen erworben hat. Problematisch bleibt jedoch, dass die Finanzierung unserer Sozialversicherungssysteme – also auch die Beitrags- und Leistungsstruktur der Kranken- und Pflegeversicherung – im sog. Umlageverfahren erfolgen. Dabei finanzieren die aktiven Arbeitnehmer*innen die Leistungsansprüche der nicht Erwerbstätigen, also vor allem der Rentner*innen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass sich Rentner*innen bereits an der Finanzierung der Krankenversicherung durch eigene Beitragsleistung beteiligen, Gleiches gilt für die soziale Pflegeversicherung.

Die gesetzliche Rentenversicherung macht den größten Teil des Sozialbudgets aus. Somit besitzt auch der Minister oder die Ministerin für Arbeit und Soziales vor dem Hintergrund des absoluten Leistungsvolumens eine gewisse Macht. Die FAZ nennt es „das Schlüsselressort künftiger Regierungen, gemessen am Etat sogar Spitze“[1]: Rund ein Drittel der staatlichen Ausgaben wird 2025 auf gesetzliche Rentenzahlungen entfallen. Die Ausgaben werden demnach von zuletzt 344 Milliarden auf 404 Milliarden Euro anwachsen. Und das jährlich. Schier unvorstellbare Zahlen. Auch die Ausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung schießen deutlich in die Höhe: von bisher 260 Milliarden auf 319 Milliarden Euro im Jahr 2025. Die Pandemie hat die Krise deutlicher gemacht. Problematisch war die Situation bereits vorher.

[1] FAZ vom 20.10.2021, Seite 15, Wer wird was

Rente mit 69? Reicht das?

Bei allen Vorschlägen für eine Rentenreform spielt eine Erhöhung des Renteneintrittsalters eine wichtige Rolle. Seit Einführung der umlagefinanzierten Rentenversicherung im Jahr 1957 hat sie sich mehr als verdoppelt. Und der Anstieg setzt sich fort. Nach aktuellen Angaben der DRV Bund lag die Rentenbezugsdauer 2018 bei 21,3 Jahren. Das bedeutete schon gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg von 0,15 Jahren. Dabei erhielten Männer durchschnittlich gut 19 Jahre lang ihre Altersrente, Frauen sogar länger als 23 Jahre. Für die aktuell 100-Jährigen zahlt die Rentenversicherung also schon fast 40 Jahre eine in der Regel jährlich dynamisierte Rente aus.

Besserverdienende leben länger

Statistik lügt nicht: Menschen, die in ihrem Erwerbsleben ein hohes Einkommen hatten, erhalten aufgrund des Leistungsprinzips der Rentenversicherung auch eine höhere Rente als Versicherte mit mittlerem oder geringem Einkommen. Problematisch ist dabei gesamtwirtschaftlich, dass ehemalige Besserverdienende meist länger leben – und zwar circa vier Jahre, in bestimmten Berufsgruppen auch deutlich mehr.

Die individuelle Rentenhöhe errechnet sich nach dem Grundsatz der Äquivalenz: Höhe und Dauer des durch Beitragszahlungen belegten Arbeitseinkommens sind die dafür bestimmenden Faktoren. Zwischen der sog. Vorleistung (dem Beitrag) und späteren Gegenleistung (der Rente) besteht somit eine direkte Beziehung. Bedarfsbezogene Maßstäbe oder Mindest- bzw. Sockelleistungen kennt die gesetzliche Rentenversicherung nicht. Somit ist die Vermeidung von Armut im Alter auch kein explizites Ziel.

Freiberufler*innen zurück in die gesetzliche Rentenversicherung

Aus dem System der gesetzlichen Rentenversicherung haben sich die freiberuflich Tätigen um das Jahr 1970 verabschiedet. Die Freiberufler*innen haben eigene Versorgungswerke gegründet und organisieren ihre Altersversorgung selbst. Heute existieren noch knapp 90 Versorgungswerke der Ärzt*innen, Zahnärzt*innen, Tierärzt*innen, Apotheker*innen, Rechtsanwält*innen, Steuerberater*innen, Notar*innen und Wirtschaftsprüfer*innen. Die Renten aus diesen Versorgungswerken liegen um etwa 100% höher als die durchschnittlichen Renten der gesetzlichen Rentenversicherung. Jedoch liegen auch die Beiträge höher und die Finanzierung ist nicht mit dem Umlageverfahren der DRV Bund zu vergleichen.

Der Begriff Freiberufler*in bezeichnet eine Person, die eine Tätigkeit ausübt, die nicht der Gewerbeordnung unterliegt und einen wissenschaftlichen, künstlerischen, schriftstellerischen, unterrichtenden oder erzieherischen Hintergrund hat. Freiberufliche Tätigkeiten werden im § 18 EStG und § 1 PartGG festgehalten

Selbständige und Beamt*innen müssen sich pflichtversichern!

Ja, auch Selbständige haben ein Armutsrisiko im Alter. Richtig ist aber auch, dass viele Selbständige ihre Altersversorgung „anders“ organisieren, bspw. durch den Kauf einer fremdvermieteten Immobilie oder durch sonstige Kapitalanlagen wie Aktien- und Fondsdepots. Trotzdem wird vermutlich weiterhin an einer Einbeziehung dieser Personengruppe in die DRV Bund festgehalten. Und grundsätzlich scheint das auch angemessen zu sein. Bei Beamt*innen sieht es anders aus: Das staatliche Alimentationsprinzip „zwingt“ den Staat, Versorgungsleistungen als Pension an die Staatsdiener*innen zu zahlen. Jedoch muss die Frage erlaubt sein, ob ein Pensionsniveau von mehr als 100% bezogen auf die durchschnittlichen Renten in den gesetzlichen Versorgungssystemen noch als angemessen gelten darf, zumal Beamt*innen eben keine eigene Beitragsleistung erbringen und zusätzlich erhebliche Vorteile in der Gesundheitsversorgung erhalten.

Welchen Weg oder Ausweg gibt es?

Auch die Einbeziehung weiterer Personengruppen ändert an der Finanzierungsproblematik kurzfristig wenig. Denn jede*r Pflichtversicherte in der DRV Bund erwirbt mit seiner*ihrer Beitragszahlung automatisch auch einen späteren Rentenanspruch.

Der häufig gern gewählte Blick nach Österreich ist nur bedingt hilfreich: Hier leisten Arbeitgeber*innen deutlich höhere Beiträge als in Deutschland und Renten werden nur gezahlt, wenn 180 Versicherungsmonate vorliegen. In Deutschland besteht bereits nach fünf Jahren ein Rentenanspruch.

Derzeit werden 76% aller Renten der DRV Bund durch die Beitragszahler*innen finanziert, bereits 24% durch die Steuerzahler*innen. Zusammen mit den Haltelinien der Politik, die besagen, dass die Beitragssätze 20% nicht übersteigen sollen, die Netto-Rentenhöhe aber nicht unter 48% des durchschnittlichen Bruttogehalts während des Erwerbslebens fallen darf, wird klar, dass der Steuerzuschuss weiter steigen muss, um die aktuellen Leistungen zu finanzieren.

Während in den fünfziger Jahren auf eine*n Rentner*in sechs erwerbstätige Einzahler*innen kamen, werden es nach den Berechnungen im Jahr 2050 nur noch zwei Erwerbstätige sein. Gelingt es nicht, die Beitragsbasis der gesetzlichen Rentenversicherung zu verbreitern, wird der Politik wenig anderes übrig bleiben als Ehrlichkeit: Das bisherige Versorgungsniveau wird nicht zu halten sein. Entweder man verständigt sich auf steigende Beiträge zu Lasten der jungen Generation – das würde die Generationenungerechtigkeit weiter verschärfen. Oder es wird nur noch eine Mindestrente geben, die allenfalls auf Grundrentenniveau – also bei ca. 1.000 Euro monatlich – liegen.

Aber im Gegenzug muss der Staat erhebliche Anreize schaffen oder bestehende ausweiten, damit Arbeitnehmer*innen und Selbständige motiviert werden, in die private oder geförderte Versorgung zu investieren.

Geförderte Vorsorge

Neben der politisch wohl nicht mehr gewollten Riester-Rente existiert seit bereits deutlich mehr als 10 Jahren die modernere Basis-Rente (häufig auch als Rürup-Rente bezeichnet, nach dem Ökonomen und Politikberater Bert Rürup). Die Riester-Rente stirbt einen stillen Tod, weil die Anforderung einer Beitragserhaltungsgarantie zu einem Mangel an attraktiven Angeboten führt, da die Anbieter im Niedrigzinsumfeld Garantien schlichtweg nicht mehr erwirtschaften können.

Die Basis-Rente kommt dagegen ohne Garantien aus, jedoch ist eine Kapitalisierung des Versorgungsvermögens selbst bei schwerer Krankheit nicht möglich. Der Gesetzgeber orientiert sich im Rahmen der Förderung an den Regelungen, die auch für gesetzlich Rentenversicherte gelten. Auch wenn die steuerliche Förderungen durch Sonderausgaben einfach erscheint, kann nicht auf den ersten Blick erkannt werden, für wen sich diese Form der Versorgung „lohnt“. Denn auch wenn Beitragszahlungen i. d. R. vollständig steuerlich geltend gemacht werden können, so hängt die steuerliche Günstigkeit eben von der Unsicherheit des zukünftigen Steuersatzes in der Rentenphase ab.

Durch das Jahressteuergesetz 2022 sind bereits ab 01.01.2023 die Beiträge vollständig als Sonderausgaben abziehbar. 

Moderne Rentenversicherungen in der privaten Altersvorsorge

Der mediale Trend zeigt in Richtung digitalem Fondssparplan. Dutzende Start-ups überfluten den Markt mit scheinbar günstigen Sparangeboten, meist in Form von ETF-Sparpläne (als ETF - Exchange Traded Funds werden börsengehandelte Fonds mit sehr hoher Fungibilität bezeichnet). Aber was hat das eigentlich mit Altersversorgung zu tun? Sparen ist natürlich richtig, doch es gibt einen Unterschied zwischen Vermögensbildung und Rentenvorsorge.

Häufig beschäftigen sich Menschen erst nach dem 50. Lebensjahr intensiver mit ihrer persönlichen Ruhestandsplanung. Viele individuelle Fragen müssen dabei beantwortet werden:

  • Wie hoch wird der Steuersatz im Alter ausfallen?
  • Welchen finanziellen Einfluss wird die Gesundheitsversorgung im Alter (gesetzlich pflichtig, gesetzlich freiwillig, privat) haben?
  • Muss oder soll für den Pflegefall ggf. separat vorgesorgt werden?

Dabei ist es unserer Ansicht nach wichtig, einen ganzheitlichen Beratungsansatz zu verfolgen. Gerade im aktuellen Niedrigzinsumfeld können nur so die optimalen Rentenentscheidungen getroffen werden. Ein Robo-Adviser ist dazu – jedenfalls bisher – nicht in der Lage.

Für die meisten Kunden ist es schwierig, den ökonomischen Wert ihrer Rente zu erfassen. Das ist nachvollziehbar, denn eine Rente, die nach dem 65. Lebensjahr vereinbart wird, wird vermutlich 25 bis 35 Jahre lang gezahlt werden (müssen). Deshalb halten wir es für sehr sinnvoll, sich durch richtige Vertragsauswahl und -gestaltung auch nach Eintritt in die Rentenphase die Chance auf Erträge und damit auf eine steigende Rente zu sichern. Leider zeigen bisher nur wenige Anbieter, dass Kunden auch in der Rentenphase  auf Kapitalmarktbeteiligung nicht verzichten müssen. Denn moderne Rentenversicherungen können in der Beratung eine wichtige Rolle spielen. Sie garantieren die heutigen Rechnungsgrundlagen, sind transparent und flexibel, können notwendige Rendite und gewünschte Garantien optimal verbinden und sind dabei noch kosteneffizient. Dabei haben Kund*innen die Wahlmöglichkeit, ob sie jederzeit zu garantierten Rechnungsgrundlagen eine lebenslange Rente wollen oder ob sie auch nach Rentenbeginn weiterhin am Kapitalmarkt investiert bleiben wollen und sich die notwendige Liquidität regelmäßig entnehmen. Das ist steuerlich komplex! Denn plötzlich wird gar keine Rentenzahlung besteuert und die Erträge bleiben – anders als in Fondsdepots – weiterhin steuerfrei. Und deshalb macht der gute Berater oder die gute Beraterin letztlich den Unterschied. Denn die Kapitalanlage selbst ist austauschbar. Wichtig ist, dass sie zur Kundensituation und zum Kundenbedarf passt.

Exkurs

Faktisch handelt es sich bei der gesetzlichen Rentenversicherung – bezogen auf die Altersrente – um gar keine Sozialversicherung im eigentlichen Sinn. Sozialversicherungen zeichnet das sog. Solidarprinzip aus. Wirtschaftlich stärkere Versicherte tragen mit Ihren höheren Beiträgen dazu bei, dass alle Versicherte den gleichen Leistungsanspruch haben. Sehr deutlich wird das in der gesetzlichen Krankenversicherung. Beim Blick auf die Altersleistungen in der DRV Bund stellt man dann jedoch fest, dass hier das Solidarprinzip nicht gilt. Ohne Beitragsleistung erhält man aus dem System gar keine Rente, wer wenig einzahlt, bekommt eine niedrige Rente, wer viele Beiträge zahlt, darf sich auf eine hohe Rente freuen.

Schon deshalb ist private und betriebliche Vorsorge so wichtig. Schon für den Durchschnittsverdiener liegt die Lebensstandardlücke regelmäßig bei ca. 50%, für Gut- und Besserverdiener entsprechend höher. Die steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Förderung betrieblichen Altersversorgung in Höhe von 4% der Beitragsbemessungsgrenze sollte also in der Beratung nicht als mögliche Obergrenze angesehen werden, sondern als der notwendige Eigenbeitrag zur Alterssicherung. Gleiches gilt für Riester-Rentenverträge, der Höchstbeitrag von 2.100 Euro abzüglich Zulagen (Grund- und Kinderzulage) sichert Steuervorteile und gibt die Sicherheit, wirklich in jedem Jahr auch die volle Zulage zu erhalten.